Geschichte der Naumburger Glocken

Geschichte der Naumburger Glocken

Die Glocken der Stadtpfarrkirche St. Crescentius in Naumburg , Stadtpfarrer i.R. Geistlicher Rat Ulrich Trzeciok, aus dem Jahrbuch des Naumburger Geschichtsvereins , Band 10, 1992


Eine Kirche ohne Glockenklang - da würde etwas fehlen, nicht nur für den Gottesdienst. Auf die vielfältige Funktion der Glocken im Alltagsleben der Menschen wird in einen der anderen Artikel hingewiesen. Aber man muß ja erst einmal eine Glocke haben. Erste Kirchenglocken sind im 7. und 8. Jahrhundert nachgewiesen (Einfluß der iroschottischen Wandermissionare) und finden dann im Mittelalter eine immer weitere Verbreitung. Vorher waren als "Rufinstrumente" hölzerne Klangbretter (Simandron), die mit einem Hammer angeschlagen wurden, im Gebrauch. Man findet sie noch in den Klöstern der Ostkirchen. Ein letzter Rest dieser alten Form hat sich in der katholischen Kirche in der Liturgie des Gründonnerstags und Karfreitags erhalten, wo die Messdiener statt der Altarglocken hölzerne Klappern verwenden und mit Holzrasseln die Gemeinde zu den Gottesdiensten rufen.


Natürlich hatten die Naumburger schon im Mittelalter Glocken im Kirchturm, aber die mußten dann das Schicksal der ganzen Stadt teilen. Beim Stadtbrand am 9. Juli 1684 wurden sie vernichtet. "Die altehrwürdige Kirche brannte gänzlich aus. … Während des Brandes schmelzen die Glocken auf dem Kirchturm und das Metall fällt in dicken Klumpen zwischen den Brandschutt"(1). Aus diesen Resten werden dann neben der Kirche zwei neue Bronzeglocken gegossen, die schon in 1689 erwähnt werden(2). Die größere hat eine Höhe von 83 cm, eien Durchmesser von 99 cm und ein Gewicht von 450 Kg. Der Schlagton ist fis. Am Hals eine Inschrift in 3 Zeilen zwischen Schnüren "BABTISOR SUB DIE PARAE VIRGINIS MARIAE QUAE EST SINELABE PATRO CINIS EX DONATIONE A. R. D. M. BALTHASARIS NEUBERT S. S. THEOLOGIAE ET IURIUM CANDIDATI PASTORIS NAUMBURGIS SUB CONSULATU DOMINI IOANNI FRANCISSE FISCHER" ( Getauft bin ich unter dem Schutz der unbefleckten Gottesmutter, geschenkt vom hochwürdigen Herrn Balthasar Neubert, Kandidat der heiligen Theologie und Rechtswissenschaft, Pfarrer von Naumburg, unter der Verwaltung des Herrn Johannes Franziskus Fischer). Balthasar Neubert war Pfarrer in Naumburg von 1684 bis 1690. Unter der Schrift ein Fries mit geflügelten Engelsköpfen. An der Flanke über einem Feld aus 5 übereinanderliegenden Palettenstreifen ein Kreuz aus ebensolchen Palmetten. Am Wolm Schnurstreifen. Diese Glocke hängt bis heute im Kirchturm der Stadtpfarrkirche. Im Jahr 1937 (3) wird vermerkt, dass der 3 bis 6 Bügel der Krone durch gußeiserne Träger erneuert sind. Das Gutachten des Glockensachverständigen des Bistums Fulda vom 25. 10. 1991 stellt fest: "Ursprünglich 6 Henkel, ohne Mittelöse; drei Henkel sind abgebrochen und notdürftig durch Schrauben und Hülsen ersetzt worden". Die Glocke darf deshalb z.Z. nicht geläutet werden. Zur teuren sachgerechten Reparatur fehlt der Kirchengemeinde leider das Geld. Eigentlich sollte diese Glocke im 2. Weltkrieg abgegeben werden. Dem mutigen Einsatz des Stadtpfarrers Josef Kreß ist es zu verdanken, dass sie der Kirche erhalten blieb. Die kleinere Glocke war 77 cm hoch bei einem Durchmesser von 90 cm und einem Gewicht von 450 Kg. Am Hals Inschrift zwischen Schnüren "SUB SANCTIO ANGELO TUTELAREI CIVITATIS NAUMBURGII CONSECRATA ET LEGATA VOCOR EX DONATIONE2" usw. wie oben (Geweiht und gesandt trage ich meinen Namen nach dem heiligen Schutzengel der Stadt Naumburg, geschenkt…).


Diese Glocke mußte am 17.3.1942 abgeliefert werden. Nach dem Krieg erhielt die Kirchengemeinde Nachricht, dass sich diese Glocke noch auf dem "Glockenfriedhof Hamburg" befinde und zurückgegeben wird. Da aber ein Teilstück aus dem Mantel herausgebrochen war, sollte bei der Fa. Rincker in Sinn ein Umguß unter denkmalpflegerischen Gesichtspunkten erfolgen. Nach einem langwierigen Briefwechsel stellte sich heraus, dass die Glocke inzwischen zu mehreren Teilstücken zerschlagen war, so dass es zum Guß einer neuen Glocke kam. Mit welchen Schwierigkeiten man in den ersten Nachkriegsjahren zu kämpfen hatte, wird in einem Brief des Landeskonservators von Hessen an die Kirchengemeinde vom 4.6.1948 deutlich: "Die Rückführung der Kirchenglocke erfordert einen umfangreichen Schriftwechsel, bei dem sich die Knappheit an Papier und Brieumschlägen hemmend auswirkt. Zur Überbrückung dieser Schwierigkeiten wäre ich für einen Beitrag in Form von Altpapier dankbar, der von der Transportfirma Rhenus in Hanau für mich entgegengenommen wird." (4).

Zu diesem ursprünglichen Bestand kam im Jahre 1886 eine dritte Glocke, die bei Carl Friedrich Ulrich in Apolda gegossen wurde und im Ton ‘e‘ erklang. Sie trug die Inschrift "ALLES WAS ODEM HAT LOBE DEN HERRN". Ihr war keine lange Dauer beschieden, denn im Jahre 1917 wurde sie zu Kriegszwecken eingeschmolzen. Den beiden historischen Glocken erging es besser, sie wurden nach einem Gutachten des Bezirkskonservators wegen ihres geschichtlichen Wertes vorläufig von der Enteignung zurückgestellt (5), und dann war der Krieg sowieso zuende. In einem Schreiben des Bischöflichen Generalvikariats Fulda vom 14.8.1918 an den Kirchenvorstand in Naumburg heißt es dann: "Da der Erlös für die infolge der für Heereszwecke abgelieferten Glocken für spätere Neuanschaffungen von Glocken zu reservieren ist, und der Kirchenvorstand über die Verwaltung der Gelder die vorgeschriebene Nachweisung eintreten, wie auch die Baupflicht der Stadt Naumburg gegen die dortige Kirche nicht beeinträchtigt wird" (6).


Am 15. November 1925, dem Erntedankfest, war es dann soweit, eine neue Glocke konnte geweiht werden. Sie wurde bei der Fa. Heinrich Humpert in Brilon/Westfalen gegossen, hatte ein Gewicht von 327 Kg und den Ton ‘h‘. Sie kostete 1600 Mark, die durch freiwillige Gaben der Gemeindemitglieder und einen Zuschuß der Stadt Naumburg in Höhe von 500 Mark aufgebracht wurden. In der Pfarrchronik schreibt Stadtpfarrer Ernst: " Die Glocke läutete am 30. November 1925 zum erstenmal und hat einen recht schönen Klang. Möge sie zur Ehre Gottes und zur Erbauung der Gemeinde läuten bis in die fernsten Zeiten."


Aber die Zeiten waren nicht danach und die Menschen auch nicht. Es zeigte sich bald, dass 1000 Jahre nur 12 Jahre währen sollten. Der zweite Weltkrieg fraß die Menschen uns auch wieder die Kirchenglocken. Am 17. März 1942 mußte diese neue wieder abgeliefert werden, und wie oben schon erwähnt, die kleinere der beiden historischen Glocken. Stadtpfarrer Kreß vermerkte dazu in der Chronik. " Die beiden Glocken wurden am 18.3.1942 nach Wolfhagen verbracht. Viele Leute brachen beim Abtransport in Tränen aus und sagten, dieser Krieg könne nach Beschlagnahme der Glocken kein gutes Ende nehmen für Deutschland, wie auch der 1. Weltkrieg 1914-1918 nach Entfernung der Kirchenglocken einen für Deutschland verhängnisvollen Verlauf genommen habe. Das 3. Reich versprach für die beschlagnahmten Glocken eine angemessene Entschädigung nach dem glücklichen Ausgang des Krieges!! Daraus wurde dann freilich nichts.


Im Jahre 1950 erhielt die Glockengießerei Gebrüder Rincker Sinn/Dillkreis den Auftrag zum Guß von zwei neuen Bronzeglocken. Die eine hat ein Gewicht von 430 Kg, einen Durchmesser von 91 cm und eine Höhe von 71 cm. Der Schlag ist ‘gis‘. Die Schulterinschrift lautet: "CONSECRATA SANCTIS ANGELIS CUSTIDIBUS - ANNO SANCTO 1950" ( Geweiht den heiligen Schutzengeln - im Heiligen Jahr 1950). Hier wird Bezug genommen auf die Inschrift der historischen Glocke von 1689, die durch die Kriegsereignisse verloren ging. Die andere wiegt 300 Kg, hat einen Durchmesser von 80,5 cm und eine Höhe von 62,5 cm. Der Schlagton ist ‘b‘. Die Schulterinschrift lautet: "CONSECRATA SACRATISSIMI CORDI JESU - ANNO SANCTO 1950" (Geweiht dem heiligsten Herzen jesu -im Heiligen Jahr 1950). Die Kosten beliefen sich für beide Glocken auf 3.783,10 DM, davon Material 1.920,60 DM (wobei schon 338 Kg Glockenbronze der abgelieferten alten Glocken angerechnet sind) und 1862,50 DM für die Herstellungskosten. Die Weihe der neuen Glocken erfolgte am 4. März 1951 durch Dechant Becker aus Fritzlar.


Zur Vervollständigung des Geläutes wurde im Jahr 1964 eine vierte Glocke in Auftrag gegeben bei der Glockengießerei Petit & Gebr. Edelbrock in Gescher/Westfalen. Mit einem Gewicht von 1318 Kg, einem Durchmesser von 127 cm und einer Höhe von 99,5 cm ist sie jetzt die größte im Turm. Ihr Schlagton ist ‘dis‘. Die Schulterinschrift lautet: "Für Frieden und Einigkeit dem heiligen Erzengel Michael - Im Jahr des II. Vatikanischen Konzils 1964". Die Kosten beliefen sich auf 10.856,32 DM für die Glocke und 2.639,00 DM für die notwendigen Armaturen und die Läuteanlage; sie wurden durch Spenden aus der Gemeinde aufgebracht. Am 8. November 1964 wurde diese Glocke durch Dechant Martin Böhne, Ehrenbürger der Stadt Naumburg, eingeweiht.


Zusammen mit dieser Glocke wurde von der gleichen Firma eine kleine Bronzeglocke für die Weingartenkapelle geliefert. Sie wiegt 85 Kg und hat den Schlag ‘G‘. Die Inschrift lautet: "Heilige Maria und Mutter Anna, bittet für unsere Familien und Heimat".


Am darauffolgenden Sonntag, den 18. November 1964, zum Volkstrauertag, konnten die neuen Glocken zum erstenmal mit allen Glocken der Stadt geläutet werden.


Diese Übersicht gibt die Geschichte der Glocken der Stadtpfarrkirche in den letzten 300 Jahren wieder und läßt auch etwas ahnen von den Nöten und Sorgen, den Hoffnungen und Freuden vieler Bürger unserer Stadt. Sie bezeugt die große Opferbereitschaft vieler Gemeindemitglieder, wenn es um die Anschaffung neuer Glocken ging. Nicht zuletzt verweist sie auf den Glauben und die Kirchentreue der Vorfahren. Möge Gott es geben, dass diese Glocken noch lange in friedlichen Zeiten die Menschen zu Gebet und Gottesdienst rufen dürfen.


Anmerkungen:

1. Sonderband 1/64 - Arbeitskreis Heimatgeschichte NaumburgArtikel "Brand und Wiederaufbau in Naumburg vor 300 Jahren"von Volker Knöppel

2. aaO.

3. F. Bleibaum, "Die Bau- und Kunstdenkmäler im Regierungsbezirk Kassel"1. Band: Kreis Wolfhagen, Bärenreiter Verlag, Kassel"1937

4. Pfarrakten Naumburg, Nr. 1, Fasc. II

5. aaO.

6. aaO.


Das Sonntagsläuten der Glocken von St. Crescentius

 
 

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W. Johannes Kowal
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