Die Nachfeier des Wachstockfestes an der Naumburger Weingartenkappelle:
Dennoch wurde aber das lokale
Wachstockfest an der Naumburg Weingartenkapelle nicht aufgegeben, sondern als Nachfeier
jeweils am 2-ten Sonntag nach Mariä Himmelfahrt fortgeführt, nicht zuletzt
auch, weil viele der Älteren nicht mehr nach Limburg reisen konnten. Weil aber (im
Gegensatz zu Limburg) die direkt in Naumburg lebenden Mährisch-Neustädter durchaus
einen merklichen Teil der katholischen Kirchengemeinde ausmachten, wurde sogar
für eine gewisse Zeit ab 1951 (auf Initiative des Neu-Naumburgers Erhart
Raschendorfer) der in Limburg geweihte Wachsstock in der Naumburger Pfarrkirche
aufbewahrt und unter der Obhut der hier ansässigen drei Wachstockfrauen bei
jedem Hochamt entzündet. Dies wurde so auch im Verkündigungsbuch der Naumburger
Kirchengemeinde durch den damaligen Stadtpfarrer Josef Kreß eingetragen, der
die Mährisch-Neustädter und auch ihr mitgebrachtes Gelöbnisfest warmherzig in
die Kirchengemeinde aufgenommen hatte.
Die Liturgie der Naumburger Nachfeier
des Wachstockfestes wurde anfangs von Pfarrer Emil Wanke zelebriert, was er
über viele Jahre hinweg (jeweils eine Woche zuvor) bereits in Limburg getan hatte.
Pfarrer Wanke, der noch Kaplan in
Mährisch-Neustadt war und dann als Pfarrer in Gudensberg wirkte, hat sowohl durch
sein einnehmendes Wesen als auch durch seine mitreißende Hingabe wohl auch dazu
beigetragen, dass dieses Fest der Mährisch-Neustädter Heimatvertriebenen
schnell auch von den einheimischen Naumburgern angenommen wurde. Bald kam dann auch
Stadtpfarrer Karl Rudolf als Co-Zelebrant hinzu, und später auch sein
Nachfolger Ulrich Trzeciok, der schließlich den Festgottesdienst über viele
Jahre hinweg mit großer Würde und Verbundenheit allein gehalten hat. Es ist ihm
dabei gelungen, uns Naumburgern immer wieder den Sinn eines solchen
Gelöbnisfestes, gerade auch in der heutigen Zeit, nahezubringen. Nach seinem
Übertritt in den Ruhestand leitet Pfarrer Trzeciok, der ja selbst als Kind aus
seiner schlesischen Heimat vertrieben wurde, auch weiterhin diese Messfeier und
wird dabei nun von seinem Nachfolger im Amt, Stadtpfarrer W. Johannes Kowal,
begleitet. Auch hierin wird deutlich, dass dieses Fest über die Jahrzehnte
hinweg zu einem festen Bestandteil des Naumburger Kirchenjahres geworden ist,
auch wenn kaum noch gebürtige Mährisch-Neustädter gegenwärtig sind.
Die neuere Entwicklung des Wachstockfestes und seine aktuelle Bedeutung:
In Limburg hingegen wurde das Fest
ausschließlich von den zusammenkommenden, naturgemäß immer weniger werdenden
Mährisch-Neustädtern abgehalten und ist von einem mehrtägigen, die ganze Stadt
einnehmenden Heimatfest (noch bis in die frühen 80-iger Jahre hinein) allmählich
zu einem kleinen Treffen weniger Verbliebener geschrumpft.
Trotz der unübersehbaren
Überalterung konnte das Wachsstockfraueninstitut um das Jahr 2010 herum noch
einmal Nachwuchs aus der Generation der Flüchtlingskinder gewinnen. Schließlich
wurde aber, allen Bemühungen zum Trotz, das Wachstockfest im Jahr 2019 zum letzten Mal in Limburg abgehalten. D as Wachstockfraueninstitut besteht aber z.Z. noch fort, und
es vertraut seitdem die Fortführung dieses alten Gelöbnisfestes allein uns
Naumburgern an. Nach langer Unterbrechung begleiten uns dabei seit dem
Jahr 2010 sogar wieder zwei dieser neu gewählten Wachstockfrauen, die ja beide auch
in Naumburg aufgewachsen sind. Allerdings wurde vor einigen Jahren nun auch in
Mährisch-Neustadt selbst, das jetzt Unicov heißt, das Wachsstockfest von den
dort lebenden tschechischen Katholiken aufgegriffen.
Hierdurch wird dieses Gelübde, das ja
an die Errettung der einst deutschen Stadt vor der Vernichtung durch
tschechische Truppen erinnert, sogar ein wenig zu einem Symbol der
Völkerverständigung. Dies gilt umso mehr, als die neuerdings wieder so greifbar
gewordenen Themen wie Krieg und Katastrophen, Not und Errettung, aber
(spätestens seit 1949) auch Flucht und Vertreibung sowie Verlust und Neugewinn
von Heimat eine zentrale Rolle spielen. Darüber hinaus macht sicher auch die
ergreifende Liturgie, untermalt von Chorklängen und heute nur selten gehörten
Kirchenliedern, einen besonderen Reiz dieses Festes aus.
Schon deshalb ist dieses
Wachsstockfest in Naumburg, das wir zunächst auch weiterhin als „Nachfeier“
bezeichnen wollen, auch mehr als die bloße Pflege einer liebenswerten alten
Tradition, oder als ein nettes Spätsommerfest unter freien Himmel bei
Bratwurst, Bier und Blasmusik. Vor allem aber ist es ein Fest der tiefen Dankbarkeit,
der unerschütterlichen Treue und nicht zuletzt auch der Zuversicht auf die
Fürsprache der Gottesmutter Maria, wenn diese erfleht wird. Dies kommt
besonders auch durch das Lied „Milde Königin gedenke“ zum Ausdruck, das während
der kleinen Prozession um die Kapelle einst mit großer Inbrunst gesungen wurde
und auch heute noch erklingt. All diese Elemente sind wohl auch wesentliche
Bestandteile einer erfüllten Gottesbeziehung. Darum kann dieses Fest auch heute
noch hier in Naumburg, wohin es die Zufälle nach Krieg, Flucht und Vertreibung
geführt haben, eine für uns alle heilsame Botschaft übermitteln. Bestimmt auch
deshalb hat das Wachstockfest in Naumburg seinen besonderen spirituellen Platz
im Rahmen der Marienverehrung gefunden.
Vielleicht trägt ja sogar unter uns
der Eine oder die Andere so einen kleinen „Wachsstock“ im Herzen, der in
Dankbarkeit an zuteilgewordene göttliche Gnade erinnert und das Glücksgefühl
einer (wie auch immer gearteten) Errettung wiederaufleben lässt.
Ich wünsche daher uns allen, dass
auf diese oder ähnliche Weise ein wenig jenes Gefühls einer größeren Gottesnähe
spürbar wird, das i.a. mit solchen Erfahrungen verbunden ist.