Die Weingartenlegende

Weingartenkapelle

Auszug aus einem Beitrag von Dr. Volker Knöppel, aus dem Jahrbuch des Naumburger Geschichtsvereins , Band 10, 1992


Nach mündlicher Überlieferung war der Weingartenhügel die erste Zufluchtsstätte der brandgeschädigten Bevölkerung. Die geläufige Erklärung, der Name „Weingarten“ sei auf die sich dort zusammenströmende weinende Bevölkerung zurückzuführen, die sich um eine Kapelle versammelt habe, ist jedoch unzutreffend. Denn der Flurname wird schon im Naumburger Salbuch von 1654 und damit vor dem Stadtbrand erwähnt (1). Auch Landau bringt diesen Flurnamen in Verbindung mit dem Weinbau und weist darauf hin, dass dieser z.B. in Fritzlar schon zur Zeit des Hl. Wigbert (gest. 747) bezeugt gewesen sei (2). Ebenso folgt der unbekannte Verfasser des Aufrufs zur Erbauung einer neuen Weingartenkapelle nicht der gängigen Namensdeutung, sondern führte aus: „ Da berichtet nun eine rührende Sage, dass die Leute noch während des Brandes in Menge sich an die Stätte der jetzigen Weingartenkapelle begeben hätten, um Trost im Gebete zu suchen, und von ihrem lauten Weinen über die vor ihren Augen lichterloh brennenden Häuser und Trümmer der Stadt hätte dann der Ort den Namen „Weingarten“ erhalten. Obgleich der Ort in Wirklichkeit den Namen nicht von diesem Weinen führt, sondern von dem Wein, der hier in früheren Zeiten gezogen wurde, so geht doch soviel aus der Sage hervor, dass hier die Leute bei dem Untergange ihrer Stadt geweint und gebetet haben (…). Auf dem Weingarten stand auch sicher damals schon die alte kleine Kapelle (…). Möglich ist es, dass in dieser kleinen Kapelle nach dem großen Brand eine Zeitlang der Gottesdienst gehalten wurde. Wäre der Platz nicht schon damals ein heiliger Platz gewesen, so hätten sich die Leute sicherlich nicht hierhin, sondern vielmehr auf einen näheren Berg begeben“ (3).


Lediglich mit der Annahme, auf dem Hügel habe schon damals eine Kapelle gestanden, irrte jedoch der unbekannte Verfasser. Zwar behauptet auch Jacobi, in einem alten Kirchenbuch werde diese Kapelle bereits im Jahr 1637 genannt (4). Da es ein Naumburger Kirchenbuch aus diesem Jahr nicht gibt, erübrigt sich jede weitere Quellenkritik.


Glaubwürdiger ist dagegen die Darstellung in der Naumburger Pfarrchronik anlässlich der dritten Weingartenkapelle im Jahr 1921: „Schon vor dieser nunmehr weggeräumten (Anm.:zweiten) Kapelle hatte hier im 18. Jh. ein kleiner, bescheidener Andachtsraum mit Altar gestanden, erbaut auf Anregung des aus Naumburg gebürtigen geistlichen Frantz Asselen, der damals Frühmesser in seiner Vaterstadt, später Stadtpfarrer in Fritzlar und zuletzt Hofgeistlicher des Landgrafen Friedrich II. von Hessen-Kassel war… Vor der Erbauung dieser Asselen`schen Kapelle wird wohl kaum schon ein Kirchlein auf dem Weingarten gestanden haben. Denn die Stadt besaß zu dieser Zeit eine andere Kapelle, die vor dem Welbertor, am Eingange der jetzigen Bahnhofstraße gelegen war… Wohl aber war der Weingartenhügel schon vordem ein heiliger Berg gewesen: denn es führte ein altertümlicher Kreuzweg mit sieben Stationen, nämlich den sieben Fußfällen Christi, auf den Gipfel hinauf, den jedenfalls schon damals, wie dies später der Fall war, ein Kruzifix krönte… Hieraus ist es dann auch zu erklären, dass nach zuverlässigen Überlieferungen bei dem die ganze Stadt im Jahre 1684 zerstörenden Brande viele der so jäh im ihre habe gekommene Einwohner der Stadt sich auf diesen Hügel zurückgezogen habe, hier Trost im Gebete zu suchen“ (5).
Gestützt wird diese Darstellung durch die Schleenstein`sche Karte von 1705/10, die in der Naumburger Gemarkung die Weingartenkapelle nicht ausweist. Da der o.g. Frühmesser Asselen, ein Sohn des Naumburger Bürgermeisters Johannes Adam Asselen, nach seiner Ausbildung am Päpstlichen Seminar in Fulda in 1733 Kaplan in Naumburg wurde (6),die Weingartenkapelle andererseits erstmals in 1760 beschrieben wurde (7), wird die Kapelle innerhalb dieses Zeitraumes erbaut worden sein. Für diese Annahmen spricht schließlich auch eine heute verlorengegangene Überlieferung, wonach die Naumburger nach dem Brand auf dem Weingartenhügel für längere Zeit ihren Gottesdienst unter Zelten hielten (8).


Anmerkungen:
(1) StAM S 490, S. 74 „an dem Weingarten“
(2) G. Landau, Beiträge zur Geschichte des Weinbaues in Hessen, ZHG Bd. 3 S. 161, 164
(3) Aufruf zur Erbauung einer neuen Weingarten-Kapelle bei Naumburg 1912, S. 3 f.
(4) Jacobi, Geschichte der Stadt Naumburg und der Weidelsburg, Mskr. 1937 S. 31
(5) Kath. Pfarrchronik Naumburg, auszugsweise abgedruckt in V. Knöppel, Die Weingartenkapelle, Mitteilungen des Geschichtsvereins Naumburg 1985, S. 15
(6) J. Leinweber, Päpstliches Seminar Fulda, 1987, S. 10
(7) StAM, H 14 S. 432, dort fälschlicherweise als „Weidelsberg“ bezeichnet: „… eine Kirche welcher gegen Mitternacht eine kleine Stund von Naumburg in der Landstraße nach Warburg gelegen“, vgl. Jahrbuch des Arbeitskreises Heimatgeschichte Naumburg 1980, S. 4
(8) Handschriftliche Aufzeichnungen betr. Fritzlar uns Naumburg Heft 11, mit Schreiben des Kommisars Ferrare in Fritzlar vom 28.4.1830; als Kopie in der Bibliothek des Geschichtsvereins Naumburg

 
 

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